Fachkräfte-Gewinnung dank Technik? 

  • von Annekatren Waldschmidt
  • 08 Dez., 2017

Stellenbesetzung in Zeiten von Digitalisierung und Fachkräftemangel

Auf dem Arbeitsmarkt sind wir derzeit mit großen Umwälzungen konfrontiert. Auf der einen Seite steht die Digitalisierung: Nach aktuellen Untersuchungen haben inzwischen bereits 42% der KMU die Digitalisierung in ihre Geschäftsstrategie aufgenommen (www.digitalisierungsindex.de, Studie: Der digitale Status quo des Mittelstands). Auf der anderen Seite steht der Fachkräftemangel:  Auch zahlreiche mittelhessische Unternehmen leiden darunter, Stellen nicht schnell und gut genug besetzen zu können (www.ihk-limburg.de, Pressemitteilung vom 29.11.2017). Beide Phänomene stehen in einem Spannungsfeld zueinander.
Die Digitalisierung verändert nicht nur die Geschäftsmodelle der Unternehmen, sondern auch den Rekrutierungsprozess. Insbesondere große Unternehmen setzen vermehrt auf Software-Lösungen, um geeignete Kandidaten zu finden. Algorithmen und künstliche Intelligenz sollen dabei helfen, Auswahlprozesse schneller und objektiver zu machen (vgl. z.B. Henner Knabenreich, "Keine Angst vor künstlicher Intelligenz!", 06.12.2017, www.haufe.de; Sonja Dietz, "Robot Recruiting: Algorithmus statt Bauchgefühl, www.monster.de). 

Das führt z.B. dazu, dass Lebensläufe und Video-Interviews automatisch ausgewertet werden (vgl. auch Jan Guldner, "Blinde Personaler casten besser", 01.12.2017, www.wiwo.de). Anschreiben oder Fotos werden unwichtig oder fallen ganz weg. Individualität wird weniger bedeutsam. Wer erfolgreich sein will, muss seine Angaben und Aussagen "steamlinen" und mit bestimmten Schlüsselwörtern spicken, aber bitte ohne Rechtschreibfehler oder Dialekt. Fraglich ist, ob dieses Verfahren zumindest nach heutigem Stand der Technik wirklich zu besseren Entscheidungen führt, oder ob bestimmte Probleme im persönlichen Rekrutierungsprozess nicht lediglich durch bestimmte andere Probleme im softwaregestützten Rekrutierungsprozess ersetzt werden. 

Wer allerdings vom Fachkräftemangel betroffen ist und händeringend nach Talenten sucht, wird dagegen zu anderen digitalen Hilfsmitteln als dem Robot Recruiter greifen. Denn selbst wenn er eine ausreichende Anzahl von Bewerbungen erhalten sollte, kann er es sich nicht leisten, ggf. vielversprechende Erwerber vorschnell auszusortieren. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dürften eher nicht zu teurer Recruiting-Software greifen. 

Diese Unternehmen und Personaler können verstärkt auf das sog. Active Sourcing, Social Recruiting und Mobile Recruiting setzen (vgl. z.B. Recruiting Trends 2017, www.uni-bamberg.de). Das führt im Ergebnis dazu, dass nicht Talente Arbeitgeber finden, sondern dass Arbeitgeber Talente finden. Auch hierfür gibt es inzwischen hilfreiche Software-Unterstütung wie z.B. Social-Media-Automatisierungs-Tools. Wichtig ist jedoch, nicht alten Wein in neuen Schläuchen anzubieten. Wer Formulierungen und Methoden aus einer Zeit, in der Fachkräfte von selbst im Überfluss beim Unternehmen anklopften, lediglich in das neue digitale Gewand überführt, wird keinen Erfolg haben. 

Vielmehr kommt es wie im Produktvertrieb entscheidend darauf an, seine Zielgruppe sowie deren Bedürfnisse und Erwartungshaltungen genau zu kennen und gezielt effektiv anzusprechen. Wer z.B. Auszubildende gewinnen will, muss seine Arbeitgebermarke pflegen, und er muss verstehen, worauf es Schulabgängern oder Studienabbrechern ankommt, wie diese Menschen kommunizieren und wo diese Menschen anzutreffen sind (vgl. auch Kerstin Dämon, "Unternehmen müssen mehr selbst ausbilden", 05.12.2017, www.wiwo.de). Hierbei muss Arbeitgebern und Personalern auch bewusst sein, dass Menschen unterschiedlich motiviert werden. Während es dem Einen mehr auf Anerkennung, Weiterentwicklung und Work-Life-Balance ankommt, geht es dem Anderen vor allem um eine gute Bezahlung (vgl. z.B. "Fachkräfte: Einkommen ist wichtigstes Argument für einen Job", 05.12.2017, www.qz-online.de). Diese Erkenntnis darf aber nicht zu der Annahme verleiten, dass eben doch "einfach" alles über Geld zu regeln sei. Denn es ist psychologisch durchaus komplex, ob und inwieweit die Bezahlung zur Arbeitszufriedenheit beiträgt. Außerdem befriedigt auch Geld stellvertretend andere Bedürfnisse. Schlicht zu meinen, man müsse lediglich durch ein besonders gutes Gehalt (sofern man dies zu zahlen bereit und in der Lage ist) Mitbewerber ausstechen, greift zu kurz.

Digitale Hilfsmittel erweitern also die Möglichkeiten zum Finden passender Mitarbeiter, befreien Arbeitgeber und Personaler aber nicht von Hausaufgaben, die vor der Personalgewinnung zwingend erledigt werden müssen. Abgesehen davon wird es immer wichtiger, gute Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Es hilft nicht, beim Rekrutierungsprozess alles richtig zu machen, aber beim Onbording und der Mitarbeiterpflege nachlässig zu sein. Gutes Recruiting ist Pflicht, Mitarbeiterbindung die Kür.

Fazit: Wer passende Fachkräfte finden und an sein Unternehmen möchte, kann dank Digitalisierung auf viele neue Möglichkeiten zurückgreifen. Doch gilt es, die richtigen Werkzeuge auszuwählen und die Werkzeuge richtig zu nutzen. Nur wer seine Zielgruppe und seine Mitarbeiter gut kennt und versteht und passend agiert, hat Erfolg.

von Annekatren Waldschmidt 13. Februar 2018
Inzwischen gibt es in Deutschland wahrscheinlich niemanden mehr, der von sich behaupten kann, sein Arbeitsalltag sei nicht von der Digitalisierung betroffen. Wie weit die Digitalisierung indes gehen kann, zeigen zwei Patente für Wearables eines weltweit tätigen Versandunternehmens, die zuletzt für ein breites Echo in Wirtschaftspresse gesorgt haben (vgl. z.B.  www.geekwire.com  vom 30.01.2018,  www.nytimes.com  vom 01.02.2018,  www.handelsblatt.com  vom 02.02.2018). Dabei sind Wearables im Arbeitsalltag längst angekommen. Wichtig ist, die Chancen und Risiken von Wearables zu reflektieren, um auf dieser Basis tragfähige Entscheidungen für die Arbeit 4.0 zu treffen.
von Annekatren Waldschmidt 9. Februar 2018
Die Chancen der Digitalisierung einfach für sich nutzen und gleichzeitig auch noch die Mitarbeiter motivieren und die Produktionsergebnisse verbessern? Das klingt nicht zuletzt für KMU viel zu schön, um wahr zu sein. Das es auch anders geht, zeigt das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen, das vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Siegen geleitet wird ( www.mittelstand-digital.de ). Im Rahmen des Projektes "EKPLO" (Echtzeitnahes kollaboratives Planen und Optimieren) der Universität Siegen ( www.ekplo.de ) testen mittelständische Unternehmen der Region in ihren Fabrikhallen neue Wege - mit beachtlichem Erfolg.  
von Annekatren Waldschmidt 8. Dezember 2017
Der technische Fortschritt führt dazu, dass immer mehr von uns zeitlich und räumlich verteilt arbeiten oder arbeiten könnten. Dank Laptops, Smartphones, WLAN, Cloud Services, Video-Konferenzen, Webinaren und anderer Hilfsmittel und Anwendungen gehören Tätigkeiten mit festen Arbeitszeiten an festen Arbeitsorten vermehrt der Vergangenheit an. Das birgt die verschiedensten Chancen und Risiken. Daher ist es wichtig, sich bestimmter psychologischer Aspekte bewusst zu sein, wenn man entscheidet, ob und wie zeitlich und räumlich verteilt gearbeitet wird.
von Annekatren Waldschmidt 8. Dezember 2017
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Grundsatzurteil das Recht auf bezahlten Erholungsurlaub gestärkt (Urteil vom 29.11.2017, Rs. C-214/16; www.curia.europa.eu ). Danach können Beschäftigte unter Umständen auch über viele Jahre hinweg Urlaubsansprüche übertragen und ansammeln. Besondere Brisanz bekommt die Entscheidung nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer anderen noch ausstehenden EuGH-Entscheidung  (Vorlage des Bundesarbeitsgerichts [BAG] an den EuGH vom 13.12.2016, Az. 9 AZR 541/15 (A); www.bundesarbeitsgericht.de ).